In diesem Artikel möchte ich dir einige Methoden mit an die Hand geben, die du nutzen kannst, um deine Texte selbst zu deuten.  Dabei soll es nicht um eine so tiefe und umfassende Deutung gehen, wie durch einen erfahrenen Schreibtherapeuten.  Du kannst also entspannt angehen und du wirst merken, je öfter du so arbeitest, um so leichter wird es dir fallen. Und es werden sich immer tiefergehende Deutungen ergeben.  Zunächst geht es darum, welche spontane Wirkung das Schreiben und der Text auf dich hatten und noch haben. 

Allgemeines 

  1. Wie ging es dir beim Schreiben und danach?
  1. Lies deinen Text laut- Wie war das für dich? Was war schwierig, laut auszusprechen? Was ist vielleicht auch erst beim lauten Aussprechen aufgefallen?
  1. Was sagt dir dein Text zunächst spontan? 

 

Vordergründige Symbolik

Wie auch in Träumen, werden in Texten durch Symbole Informationen transportiert. Je stärker die Symbole das Wissen verfälschen, um so unbewusster ist das Wissen. Wer mehr, als nur ein Bauchgefühl zu seinem Text haben möchte, kann ihn mit verschiedenen Methoden systematisch deuten. 

Mit den folgenden Fragen betrachtest du die äußeren Hüllen des Textes. Diese Eckdaten sind wichtig, um die tiefergehende Deutung weiter unten aus der richtigen Perspektive vorzunehmen. Deutet man beispielsweise einen Roman aus dem 18 Jh. Aus der heutigen Perspektive, werden sich völlig andere Dinge ergeben, als wenn man die Zeitgeschichte und gesellschaftlichen Einflüsse der Zeit berücksichtigt. 

 

Methoden der Textdeutung

W-Fragen

Welche Textsorte

Unter Textsorten versteht man die Texte mit ähnlichen Merkmalen: Kurzgeschichten, Novelle, Roman….

Wer

Dies Antwort wird dir leichtfallen. Du kannst sie aber auch etwas tiefgründiger angehen. So kannst du sich auch fragen, welche/r Teil/e (Ego-State), ist in diesen Text aktiv. Kurz also: Wer schreibt und wer handelt?

Was

Was geschieht im Textverlauf? Welchen Inhalt behandelst du im Text?

Wozu

Was ist der (Therapie)auftrag/dein Ziel? Was möchtest du durch das Schreiben/deinen Text erreichen?  Dabei solltest du unterscheiden, zwischen Gesamtziel und Zwischenzielen. Man kann auch mehrere voneinander unabhängige Ziele verfolgen.

Und schließlich bringst du beides zusammen. In welchem Zusammenhang stehen der Text und dein Anliegen? Zeigt er Problembereiche auf, enthält er Lösungen oder finden sich Details, anderer Themenbereiche? Manchmal ergeben sich direkt neue Erkenntnisse zum angestrebten Themenbereich. Manchmal erkennt man sie erst später, nach der Deutung weiterer Texte. Und wieder andermal werden weitere offene Fragen beantwortet. Das liegt daran, dass wir unser unbewusstes Wissen nicht unmittelbar anzapfen können. An besten können wir diese Quelle nutzen, wenn wir möglichst wenig Druck ausüben. Deshalb ergeben sich klärende Informationen oft auch mit einem gewissen zeitlichen Abstand. 

Wann

Wann wurde der Text verfasst? Ist es ein aktueller Text oder ist er bereits vor einiger Zeit entstanden. Dies ist wichtig, um ihn in die äußeren Umstände einordnen zu können. Dabei können sowohl die persönlichen, als auch die gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Umstände relevant sein. 

Auf welche Zeit bezieht sich der Inhalt/die Handlung? Auf welchen Lebensabschnitt bezieht sich der Text? Dies kann wichtig sein, wenn unklar ist, welche inneren Anteile im Text eine Rolle spielen. Manchmal ist es gerade Aufgabe des Schreibens, die inneren Anteile zu erkunden. 

Wie

Wie hast du den Text geschrieben mit Computer oder handschriftlich?  Handschriftliche Texte verraten viel über deine emotionale Bewegung beim Schreiben. Früher wurde das handschriftliche vorgezogen, um eben auch die Handschrift deuten zu können. Ich bin da inzwischen offen geworden für getippte Texte. Denn für viele ist dies normale Art zu schreiben. Das handschriftliche Schreiben ist für viele weitestgehend aus dem Alltag verschwunden. 

Welchen Sprachstil verwendest du in deinem Text? Schreibst du so, wie du auch üblicher Weise schreibst bzw. sprichst? Oder hast du eine besondere Form gewählt: aristokratisch, schnöde, umgangssprachlich, gehoben?  Und dabei ist außerdem zu hinterfragen, ob dein Sprachstil im Einklang mit dem Inhalt ist oder im Kontrast dazu steht. Dabei können starke Abweichungen gewollt sein. Wenn nicht gilt es auch dies zu analysieren. 

Welche Atmosphäre erzeugt dein Text? Ist er eher fröhlich, ermutigend oder verbreitet er eine traurige Stimmung? Das spielen vor allem die sprachlichen Bilder eine Rolle. Denn sie lassen die Bilder vor deinem inneren Auge entstehen. Welche inneren Bilder ruft dein Text bei dir hervor? 

Warum

Was war der Anlass und Grund diesen Text zu schreiben? Hast du ihn ohne Anleitung oder im therapeutischen Zusammenhang verfasst? Oder gab es andere Schreibimpulse? Viele Texte entstehen zwischen den Sitzungen – vielleicht hast du die letzte Sitzung zusammengefasst, ein Thema weiterbearbeitet oder hast bereits ein anderes Thema vorbereitet. Um welches Thema geht es also und wieso hat du gerade jetzt darüber geschrieben?

 

Weitere Methoden

Nun geht es tiefer in die Textdeutung. Mit den folgenden Anleitungen kannst du deine Texte auf ganz unterschiedliche Weise betrachten und untersuchen. Du kannst damit sowohl einzelne Aspekte genauer betrachten, als auch ganzheitlich in die Deutung einsteigen. 

 

Zwei-Spalten-Methode

Dabei trägst du den Text in die erste Spalte ein. Daneben notierst du die Einfälle dazu, die dir beim Lesen kommen.  

 

Vier-Spalten-Methode

In die erste Spalte trägst du den Text in seinen Hauptsequenzen ein. Die zweite Spalte enthält wiederum, die Einfälle, die dir beim Lesen gekommen sind. In Spalte drei kannst du kleine Texte eintragen, die sich aus den Spalten eins und zwei ergeben. Die letzte Spalte fasst alles zusammen und untersucht die Texte der verschiedene Spalten auf zeitliche, inhaltliche und/oder stilistische Unterschiede. 

 

Einsatzanalyse

Fasse die Kernaussage des Textes in einem Satz zusammen. Dabei bist du gezwungen, dich auf das WESENtliche beschränken. Dabei tritt also das Wesen deines Textes zu Tage. Dies kann helfen Klarheit in verworrene Texte zu bringen. 

 

Betrachtung der sprachlichen Bilder

Sprachliche Bilder, auch Metaphern genannt ermöglichen es uns, ein inneres Bild von dem Gelesenen zu entwickeln. Wir können uns in die Situation hineinversetzen, mit Gefühlen und körperlichen Empfindungen mitschwingen, Gedanken nachvollziehen und uns Verhalten und Geschehen vorstellen.  Kinder sprechen noch ganz selbstverständlich in sprachlichen Bildern. Wir Erwachsene halten uns oft an bedeutungsreduzierte Begriffe. Dies ist sprachlich ökonomisch und hat auch oft seine Berechtigung. Jedoch fällt dabei euch vieles hinten runter. Beim therapeutischen Schreiben sind genau diese Dinge wichtig. Denn die fördern und zeigen den emotionalen und kognitiven Ausdruck. Und sie zeigen natürlich auch Veränderungen in diesen Bereichen. 

 

Betrachtung des emotionalen Ausdrucks

Vielleicht fällt es dir, wie vielen anderen auch, schwer, deine Gefühle auszudrücken. Dies ist umso schwerer, wenn man es in Worte fassen soll. Dabei tappt man schnell in die Falle, über Gefühle zu schreiben, sie aber nicht wirklich zum Ausdruck zu bringen. Im therapeutischen Schreiben ist es Ziel den emotionalen Ausdruck zu fördern, so dass er auch im Alltag selbstverständlich wird.

Je schwerer dir der emotionale Ausdruck bisher gefallen ist, um so mehr wirst du vom Schreiben profitieren. Besonders förderlich sind dabei Texte, in denen zunächst die negativen Emotionen ihren Ausdruck finden. Wichtig ist im nächsten Schritt jedoch die Hinwendung zu einer positiven Emotionalität. Verstehen nimmt vielem den Schrecken. Viele Ängste, Ohnmacht und Trauer lassen sich durch Verstehen und Einordnen ins eigene Weltbild entschärfen oder sogar in positiven Emotionen umwandeln. 

 

Betrachtung des kognitiven Ausdrucks

Egal, ob du mit Anleitung oder einfach so geschrieben hast. Meist klärt sich etwas beim Schreiben, neue Zusammenhänge werden dir klar oder ein Perspektivwechsel ermöglicht dir neue Einsichten. Manchmal braucht es die schreibende Annäherung und andermal hilft Distanz, um zu verstehen, loszulassen und zu heilen. Vom Schreiben profitierst du vor allem dann, wenn sich in deinen Texten Ausdrücke des Verstehens und der Sinnstiftung finden. So musst du natürlich nicht alles gut finden, was du erlebst und erlebt hast. Aber man kann in allem einen Sinn für seinen Leben finden und etwas daraus lernen. Die Dinge anzunehmen, ist wichtig, um sie gestalten zu können. Ist dies in deinen Texten zu erkennen, dann spricht man von einer Integration des Erlebten in die eigene Lebensgeschichte.

All diese Methoden kannst du verwenden, wenn es um spezifische Fragestellungen geht und ebenso, wenn du einfach drauflosgeschrieben hast. 

Wenn es um allgemeine Probleme des Lebens geht, kannst du deine Text als reichen pool an Wissen nutzen und mit eigner Deutung ergründen. 

Wenn du jedoch körperliche oder psychische Symptome oder gar traumatisch Erfahrungen aufarbeiten willst, so solltest du dir professionelle Unterstützung suchen. 

 

Anleitung

Nimm dir einen oder mehrere deiner Texte und versuche ihn/sie unter diesen Aspekten zu betrachten. Welche neuen Erkenntnisse ergeben sich daraus. Auch hier kannst du nochmal unterscheiden zwischen allgemeinen Informationen, dein Leben betreffend und konkreten Ansätzen um aktuelle Problemen zu bearbeiten.